Vor einigen Tagen hatte ich eine wunderschöne Erfahrung. Eine Kundin, die bei der Verkostung von Blattgemüse im Herbst war, ist zum Küchengarten gekommen, um "das alles selber anzuschauen".
Kaum aus dem Auto gestiegen, sagte sie mir, "Ich habe Ihre Salatmischung bei der Verkostung in Innsbruck gekauft. Ich habe noch nie so einen Salat gegessen! So viel Geschmack! Ein bisschen Öl und eine Spritze Zitronensaft - das war alles und es hat herrlich geschmeckt. Und ich bin eine, die normalerweise viel Salz und Pffeffer verwendet!"
In dem Moment ist natürlich mein Gärtnerin-Herz aufgegangen. Solche Rückmeldungen freuen mich riesig. Gerade wenn mein fleischliebender Ehemann von Kohlrabi aus dem Küchengarten schwört, oder wenn Eltern mir sagen, ihre Kinder fragen nach "Karotten von Tanja". Alle Abo-Kunden sind von der Qualität meiner Gemüse begeistert, das war aus der Behebung von letzter Saison klar. Es ist schmackhafter, farbenfroher und haltbarer.
Ich stimme diesen Wahrnehmungen zu. Bis jetzt habe ich diese Phänomene dem gesunden Umfeld im Küchengarten sowie der Sortenauswahl zugeschrieben. Von Behauptungen über den höheren Nährwert habe ich mich aber bisher zurückgehalten, weil ich eine solche Aussage über das Gemüse aus dem Küchengarten nicht wissenschaftlich begründen konnte.
Das ändert sich. Stehen Geschmack und Aroma in Verbindung mit Nährstoffgehalt? Die Antwort ist scheinbar ja. Und je mehr ich darüber lerne, desto mehr staune ich.
"Wir sind mit einem sehr hoch entwickelten Nährstoffüberwachungsgerät ausgestattet, das als Nase und Zunge bezeichnet wird. Deshalb mögen Kinder heutzutage Obst und Gemüse nicht wirklich, weil sie nicht gut schmecken. Und sie schmecken nicht gut, weil sie nicht in einem funktionierenden Boden gewachsen sind. Sie schmecken nicht gut, weil sie eigentlich nicht nahrhaft sind." - Dan Kittredge, Bionutrient Food Association, No-Till Grower Podcast am 11.3.19
Kann das wirklich sein? Dass Geschmack und Aroma uns anziehen, weil sie auf Nahrung deuten?
Beginnen wir mit der häufigen Frage, ist bio-zertifiziertes Gemüse gesunder?
Nach meiner Recherche ist diese Aussage halb wahr. Bio-zertifiziertes Gemüse ist nicht an und für sich nahrhafter; das Zertifikat weist allerdings auf Verzicht auf synthetischen Pestiziden und Co und das ist jedenfalls gut. Mit bio-zertifiziertem Gemüse kann man sicher sein, dass keine synthetischen Gifte auf den Teller kommen. Aber ist es automatisch nahrhafter?
Jein. Der Nährwert unserer Gemüse und Getreide hängt von dem Bodenleben und somit der Anbaumethode ab. Vergleichsmessungen mit Spektrometrie zeigen, dass Pflanzen, die in einem gesunden, lebendigen Boden wachsen, mehr Nährstoffe enthalten (sogenannte "Phytonährstoffe", in der Biologie "sekundäre Pflanzenstoffe" genannt) weil sie von dem komplexen Ökosystem - dem Bodenleben - komplex ernährt werden. Diese gute Ernährung führt dazu, dass sie sich voll entwickeln, robuster sind und sogar Feinde abwehren können. Infolge brauchen sie weniger Interventionen, wie etwa Pestizide, ob synthetisch oder organisch.
Wie das funktioniert ist ein komplexer biochemischer Prozess, die ich Dank dem zitierten Interview mit Dan Kittredge (s. Zitat oben) laienhaft aber doch erklären kann. Man stellt sich vor, eine Pflanze wächst in einem schwachen Boden, dessen Ökosystem regelmäßig durch Umgraben bzw. Pflügen gestört wird. Ein solcher Boden ist ökologisch tot. Er schaut auch tot aus: grau und leblos, staubig in der Hand, verkrustet nach Regen. Die Pflanze überlebt darin, gedeiht aber nicht. Man reagiert mit Düngemittel, um Makronährstoffe (d.h. Nährstoffe, die für Energie nötig sind) schnell zuzuführen. Diese Zugabe von Dünger - ob synthetisch oder organisch - ist eine Not-Lösung, die wie eine Art Energie-Getränk wirkt. Dan Kittredge vergleicht es mit einer Infusion in der Klinik: "Das ist wirklich was Dünger ist: eine Infusion. Es sind lösliche Nährstoffe, die direkt in den Kreislauf der Pflanze injiziert werden und die Verdauungsbahn umgehen."
Ähnlich wie Energie-Getränke den eigentlichen Energiegehalt vertuschen, vertuscht auch Düngung die eigentliche Gesundheit der Pflanze. Und ähnlich wie Energie-Getränke macht das Düngen abhängig. Die Pflanzen wachsen, sind aber nicht gesund und brauchen regelmäßige Düngung, um leistungsfähig zu sein. Und darum geht es in solchen landwirtschaftlichen Methoden: Um Leistung, nicht Gesundheit; um Menge, nicht Qualität; um Größe, nicht Geschmack.
Um wirklich robust zu sein, brauchen Pflanzen - wie wir Menschen - auch Mikronährstoffe, d.h. Vitaminen, Mineralien, usw. Es sind die Mikronährstoffe, die unter anderem Zellwachstum und damit die stetige Erneuerung und Stärke der gesamten Pflanze ermöglichen. Wenn sowohl Makro- und Mikronährstoffe in einem gesunden Boden vorhanden sind, kann die Pflanze optimal wachsen und sich sogar schützen. Das braucht aber andere Lebewesen im Boden, die ihren Teil leisten, z.B. mychorrizhale Netzwerke, die Mineralstoffe verarbeiten, damit die Pflanze sie aufnehmen kann.
Also, zunächst holen sich Pflanzen Makronährstoffe, um Energie zu produzieren. Wenn der Energiehaushalt der Pflanze (Zucker, Kohlenhydrate, Fette) aufgebaut ist, kann die Pflanze Mikronährstoffe nützen, um ihr Abwehrsystem aufzubauen. Klingt ähnlich wie bei uns Menschen!
Dieses Abwehrsystem ist faszinierend. Man erkennt ja eine gesunde Pflanze an Glanz und Stärke ihrer Blätter, Fruchtbarkeit, Duft sowie Wurzelbildung. Solche beobachtbare Merkmale haben mit der Produktion von sekundären Pflanzenstoffe (= Phytonährstoffe für uns) zu tun. Diese werden von einer gesunden Pflanze entwickelt, wenn sie genug Energie hat, deswegen der Name: primär und an erster Stelle geht es um die Energieversorgung, die dann das Sekundäre an zweiter Stelle ermöglicht. Sekundäre Pflanzenstoffe dienen der Pflanze, indem sie ihr Abwehrsystem stärken. Sie machen die Pflanzen für Feinde buchstäblich unappetitlich! Kittredge erklärt die Bedeutung davon wie folgt:
"Grundsätzlich können keine Insekten, keine Bakterien oder Pilze diese sekundären Pflanzenstoffe verdauen. Zugleich korrelieren sie für uns mit Geschmack. Die Stoffe, die die Pflanze für einen Insekt unverdaulich machen, sind auch die Stoffe, die Pflanzen für uns schmackhaft machen."
Anders gesagt, schmackhaftes Gemüse ist nährhaftes Gemüse!
Jetzt kommen wir zur Frage: Was wirkt auf den Nährstoffgehalt? Also, nach meinem aktuellen Wissensstand:
- Glashausgemüse ist makellos und ganzjährig erhältlich, mangelt aber am Geschmack, Aroma und Textur. Und das wissen alle, die im Winter von Glashaustomaten enttäuscht werden. Mangelnder Geschmack weist auf mangelnden Nährwert.
- Freilandgemüse ist nachweislich schmack- und nährhafter als Glashausgemüse. Es schmeckt generell besser, weil es dem Licht und dem Wetter direkt ausgesetzt ist und im Boden wächst. Wenn wir aber Gesundes haben wollen, müssen wir auf Mangellosigkeit und Größe verzichten. Leider sind EU-Normen für den Verkauf genau auf das Falsche ausgerichtet.
- Aber jetzt kommt's: Gemüse, welches in einem intakten Ökosystem im Freiland wächst, ist nachweislich schmack- und nährhafter als Feldgemüse, das im ge- und zerstörten Boden kultiviert wird.
Fühle ich mich mit meiner Anbauweise bestätigt? Absolut. Bin ich noch mehr überzeugt, dass es auf das Bodenleben ankommt? Eindeutig. Kann ich erklären, warum ich den Winter ohne Grippe und ohne Erkältung überwunden habe? Vielleicht.
Die große Herausforderung ist solche komplexen Zusammenhänge den Konsumenten zu erklären. Man schenkt dem Bio-Etikett großes Vertrauen, was wir aber brauchen ist eine Methode, um selber Nährstoffgehalt und Gifte in den Produkten zu messen. Daran arbeitet die Bionutrient Food Association. Sie haben ein sogenanntes "Bionutrient Meter" entwickelt, ein Messgerät, dass spektronomische Untersuchungen im Alltag ermöglicht. In einigen Jahren soll eine solche Funktion in Smartphones möglich sein. Warum das so wichtig ist, erklärt Kittredge im Interview:
"Als Konsument können Sie sich ein Etikett ansehen und sehen, ob es biologisch ist oder nicht, aber wir wissen, dass viele biologische Produkte nicht wirklich besser sind. Vieles auf dem Supermarktregal, das aus kontrolliert biologischem Anbau erhältlich ist, sind aus ernährungsphysiologischer Sicht ziemlich leer. Daher brauchen wir eine Möglichkeit, Lebensmittel zu betrachten, um zu sehen, woraus sie eigentlich bestehen."
Letztendlich geht es um die Definition von Qualität für unsere Lebensmittel. Ist ein guter Apfel groß, glänzend und makellos? Oder geht es um die Nährstoffdichte, d.h. die Nährstoffmenge pro Kalorie? Wenn das der Fall ist, dann ist vielleicht der kleine Apfel mit Mängeln die bessere Wahl. "Nur weil es groß ist, heißt nicht, dass es Geschmack hat, " so Dan Kittredge. Dem stimme ich zu. Und auch, dass Landwirte neue Wege gehen müssen, weil sie sich ihre Verantwortung für das Bodenleben und somit für unsere Gesundheit bewusst sind. Das geht viel leichter, wenn man direkten Kontakt mit dem Endverbraucher hat, aber wenn die Kunden große Firmen sind, wird das schwer. Und trotzdem:
"Als Landwirte besteht unsere Aufgabe darin, Nahrungsmittel zu produzieren, nicht Mengen... Der Anbau gesunder Pflanzen bedeutet Kohlenstoffspeicherungung und ein gesundes Bodenleben." - Dan Kittredge, Bionutrient Food Association, von dem No-Till Grower Podcast am 11.3.19
Amen.
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joergveit@gmx.at (Sonntag, 05 April 2020 16:40)
Habe einen sehr schönen Gemüsegarten und Dünge nur mit selbst hergestellten Kompost .Bin mit unserem Gemüse sehr zufrieden aber was könnte ich ändern?
Habe alles auf Hochbeet umgestellt da ich ja nicht der Jüngste bin ( 76 )
Liebe Grüße Jörg
ubaTaeCJ (Sonntag, 21 August 2022 01:43)
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ubaTaeCJ (Sonntag, 21 August 2022)
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ubaTaeCJ (Sonntag, 21 August 2022 01:49)
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ubaTaeCJ (Sonntag, 21 August 2022 05:35)
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ubaTaeCJ (Sonntag, 21 August 2022 06:08)
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